Rechtsgutachten: Wärmepumpe „sticht“ Fernwärme

Die Wärmeversorgung muss nachhaltiger werden, um das Klima zu schützen. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten Heizungen, die nicht mehr mit fossilen Brennstoffen arbeiten: Mit Wärmepumpen lässt sich deutlich nachhaltiger heizen. Aber was passiert eigentlich, wenn in meiner Straße Fernwärme kommt – nachdem ich erst kurz zuvor meine Heizung modernisiert und in eine umweltfreundliche Wärmepumpe investiert habe? Ein Rechtsgutachten des Bundesverbandes Wärmepumpe BWP hat dazu Klarheit gebracht: Ist schon eine Wärmepumpe vorhanden, dürfe es keinen Anschlusszwang an Fernwärme geben. Oder, wie Kartenspieler sagen würden: „Wärmepumpe sticht Fernwärme!“

Wärmepumpen gewinnen im Heizungsmarkt massiv an Bedeutung. Innerhalb von zehn Jahren stieg europaweit die Zahl von rund 700.000 auf fast 2,7 Millionen Stück in 2023 (Quelle: bwp / ehpa). Etwa die Hälfte davon sind jeweils Luft/Wasser-Wärmepumpen. Und das aus gutem Grund, denn sie sind einfach zu installieren und leisten bei einer durchschnittlichen Jahresarbeitszahl von 3,2 – ein Teil Antriebsenergie bringt also über drei Teile Nutzenenergie – einen deutlichen Beitrag zur Verringerung des CO2-Ausstoßes. Die meisten Hausbesitzer in Städten wie auf dem Land können dadurch beim Heizungstausch ganz einfach die Forderung nach 65 Prozent Erneuerbarer Energien gemäß Gebäudeenergiegesetz (GEG) erfüllen und sind bereits heute für die Zeit nach 2045 zukunftssicher aufgestellt.

Laut GEG kann dieser Anteil Erneuerbarer Energien bei neuen Heizungen aber auch über einen Fernwärmeanschluss abgedeckt werden. Denn die Kommunen sind seit 1. Januar 2024 zur Kommunalen Wärmeplanung verpflichtet, je nach Größe bis Juni 2026 bzw. Juni 2028 eine entsprechende Planung aufzustellen – und auf einmal stehen lokale Wärmenetze und dezentrale Wärmepumpen in direkter Konkurrenz … Womit sich direkt die Frage stellt: Was passiert dann eigentlich? Muss ich mich als Hausbesitzer an das Wärmenetz anschließen, obwohl ich schon in eine nachhaltige Wärmepumpe investiert habe?

Was ist eigentlich ein Anschlusszwang?

Über einer Hauptstraße zwischen schönen alten Mehrfamilienhäusern verläuft eine Fernwärmeleitung.

In manchen Großstädten gibt es bereits Fernwärmenetze. Bis die auf Erneuerbare Energien umgestellt sind, dürfte es in vielen Fällen aber noch etliche Jahre dauern.

Generell haben Kommunen die Möglichkeit, über Satzungen einen sogenannten Anschluss- und Benutzungszwang zu verhängen. Das ist immer dann der Fall, wenn es dem „legitimen Gemeinwohl“ dient, beispielsweise bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung. Oder auch bei Fernwärmenetzen, weil die dem Klimaschutz oder dem Schutz der Gesundheit vor lokalen Emissionen dienen. Umgekehrt leitet sich aus dem Anschlusszwang für Hausbesitzer dann aber genauso ein Anspruch auf die jeweilige Leistung ab.

Übertragen auf die Fernwärmeversorgung bedeutet das: Kommunen können grundsätzlich einen Anschluss- und Benutzungszwang an das lokale Wärmenetz verhängen, wenn dies dem Umweltschutz oder dem Schutz vor schädlichen Emissionen (wie durch Einzelöfen) dient. In Neubaugebieten ist das zum Beispiel über die Aufstellung eines Bebauungsplans auf Basis des Baugesetzbuchs zu begründen. Auf Landesebene greift dazu die Gemeindeordnung.

Rein wirtschaftliche Interessen, um die hohen Kosten für Aufbau und Unterhalt eines solchen Netzes zu finanzieren, rechtfertigen einen solchen Zwang hingegen nicht.

Selbstversorger statt Anschlusszwang?

Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang sind grundsätzlich möglich, wenn man eine bessere, beispielsweise umweltfreundlichere Anlage zur Selbstver- oder -entsorgung hat. Bei der Abfallentsorgung wäre das die Kompostierung von Grünabfällen im eigenen Garten anstelle einer Bio-Abfalltonne.

Diesen wichtigen Aspekt greift auch das Rechtsgutachten auf: Ist die bereits installierte Wärmepumpe inklusive indirekter Emissionen emissionsärmer als die Fernwärmeversorgung, wäre der Anschluss- und Benutzungszwang nicht geeignet, den Klima- und/oder Gesundheitsschutz zu fördern. Also: Der Anschlusszwang entspricht nicht mehr dem Sinne der Rechtsgrundlage für den Anschluss- und Benutzungszwang. Und selbst, wenn die vorhandene Wärmepumpe nur genauso emissionsarm ist wie die angebotene Fernwärme, also gleichwertig, würde der Grundsatz der Angemessenheit verletzt. Dies gilt übrigens auch dann, „wenn die indirekten Emissionen [der Wärmepumpe] die der Fernwärme übersteigen, da unabhängig von dieser Frage Wärmepumpen gem. § 71 Abs. 3 GEG emissionsfreien Technologien gleichgestellt sind“, sagen die Juristen: „Der Gesetzgeber des Gebäude-Energiegesetzes (GEG) hat ausdrücklich Wärmepumpen unabhängig vom CO2-Gehalt des bezogenen Stroms regenerativen Wärmeversorgungstechnologien wie etwa der Solarthermie gleichgestellt. Aus Gründen der Systemgerechtigkeit und der Folgerichtigkeit können Gemeinden dies in ihren Satzungen nun nicht anders handhaben.“

Anschlusszwang trotz Wärmepumpe?

Zwischen neugebauten Reihenhäusern steht eine Nahwärmezentrale.

In Neubaugebieten können Kommunen den Anschluss an ein Wärmenetz mit Nahwärmezentrale über den Bebauungsplan und die Satzung vorschreiben.

Das hört sich für Wärmepumpenbesitzer schon sehr gut an. Denn zumindest theoretisch wäre es dann zwar immer noch denkbar, dass Kommunen zwar einen Anschluss-, aber keinen Benutzungszwang verhängen, wenn sie ein Fernwärmenetz aufbauen. Auf diese Weise ließen sich die Kosten für den Netzaufbau auf deutlich mehr Hausbesitzer umlegen, was wiederum die Akzeptanz für einen Fernwärmeanschluss zumindest etwas verbessern könnte – und Hausbesitzer mit Wärmepumpe könnten weiter mit ihrer eigenen Anlage heizen. Aber auch da geben die Juristen im Auftrag des BWP Entwarnung.

Ein solches Vorgehen – Anschlusszwang ja, Benutzungszwang nein – dürfte angesichts der hohen Kosten für den Fernwärmeanschluss und die laufenden, verbrauchsunabhängigen Kosten als Fernwärmekunde ebenfalls nicht erfolgreich sein: „Es ist schwer vorstellbar, wie allein der Anschluss an das Fernwärmenetz im Hinblick auf einen Kunden, der eine Wärmepumpe unterhält, den Klima- und Gesundheitsschutz fördern kann.“

Hausbesitzer, die bereits eine nachhaltige Wärmepumpe installiert haben, können damit der Kommunalen Wärmeplanung in ihrem Heimatort entspannt entgegensehen. Ihre Investition in eine Wärmepumpe ist gemäß Rechtsgutachten zukunftssicher und leistet schon heute einen konkreten Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz: Denn selbst, wenn die Wärmeplanung der Kommunen bis Mitte 2026 bzw. Mitte 2028 abgeschlossen ist, würde der Aufbau neuer und der Ausbau bestehender Wärmenetze, die mit mindestens 65 Prozent Erneuerbarer Energien befeuert werden, noch viele weitere Jahre dauern. Mit Luft/Wasser-Wärmepumpen lassen sich aber selbst ältere Bestandsgebäude mit höherem Wärmebedarf ohne große bauliche Maßnahmen zeitnah auf eine nachhaltige Wärmeversorgung umrüsten, um das Erreichen der Klimaziele direkt zu unterstützen – also etwa 70 Prozent aller Bestandsgebäude!


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